Delfinmutter und Nachwuchs bei Korallen
Angela Ziltener
Angela Ziltener
Medizin im Tierreich

Delfine behandeln Hautprobleme mit Korallen selbst

Neue Studienergebnisse deuten darauf hin, dass bestimmte Delfine Hautprobleme selbst behandeln können, indem sie sich an Korallen und Schwämmen reiben. Besonders kurios: Die Tiere wurden dabei beobachtet, wie sie sich vor den „Korallenkliniken“ anstellen und warten, bis sie an der Reihe sind.

Bei Hautproblemen hilft oft nur der Weg zum Arzt und die Behandlung mit Salben oder anderen Medikamenten. Nicht nur Menschen leiden aber hin und wieder an Ausschlägen und Hautirritationen – auch Delfine haben damit manchmal zu kämpfen. Ein internationales Forscherteam um die Biologin Angela Ziltener von der Universität Zürich und die Chemikerin Gertrud Morlock von der Justus-Liebig-Universität Giessen hat das Verhalten der Meeresbewohner genauer unter die Lupe genommen und dabei Besonderes entdeckt. Das Ergebnis der Untersuchung präsentieren die Expertinnen und Experten aktuell im Fachjournal „iScience“.

Ungewöhnliches Verhalten unter Wasser

Der Start des internationalen Forschungsprojekts liegt schon rund dreizehn Jahre zurück, als Ziltener Delfine im Roten Meer untersucht hat. Dabei fiel der Schweizer Wildtierbiologin auf, dass sich die Tiere vor der Küste Ägyptens an bestimmten Korallen und Schwämmen rieben. Ziltener erklärt gegenüber science.ORF.at: „Man hat damals klar gesehen, dass die Delfine genau wussten, welche Korallen sie ansteuern.“ Die Biologin wollte anschließend mehr über die Gründe für dieses Verhalten in Erfahrung bringen.

Delfine in der „Korallenklinik“

Angela Zilteners Video zeigt, wie sich Delfine an Korallen reiben

In der Zeit danach gelang es Ziltener, die selbst Taucherin ist, das Vertrauen einer Gruppe von indopazifischen Großen Tümmlern zu gewinnen und ihr Verhalten unter Wasser zu erforschen. Möglich war das nur, weil die Tiere nicht von den großen Luftblasen der Taucherin abgeschreckt wurden. Ziltener: „Andere Arten, wie etwa ostpazifische Delfine, sind da weitaus ängstlicher.“

Korallenschleim wirkt antibakteriell

Nachdem es die Delfine dem Forscherteam erlaubten, sie regelmäßig zu besuchen, konnten die Expertinnen und Experten Proben der Korallen und Schwämme sammeln, an denen sich die Tiere immer wieder rieben. Dabei fand das Team Hinweise darauf, dass die Großen Tümmler die Polypen der Korallen durch den Körperkontakt anregen und diese anschließend Schleim produzieren.

Bei der darauffolgenden Untersuchung des Schleims im Labor fanden die Forscherinnen und Forscher 17 verschiedene aktive Substanzen darin, die zum Teil antibakteriell, hormonell oder antioxidativ wirken. "Das Ergebnis hat uns überrascht“, erklärt Morlock. Das Team habe anschließend die Hypothese gewagt, dass Delfine die Korallen und Schwämme nutzen, um ihre Haut prophylaktisch oder bei vorhandenen Irritationen mit den darin enthaltenen Substanzen zu versorgen.

Delfine mit Pilzerkrankung
Angela Ziltener
Delfine mit Pilzerkrankung

Dass der Kontakt zu den Korallen und Schwämmen heilend für die Delfinhaut ist, konnten die Forscherinnen und Forscher bis dato noch nicht klar nachweisen. Durch die neuen Erkenntnisse aus der Untersuchung liege dieser Schluss jedoch nahe, so Morlock.

Warten vor der „Korallenklinik“

Die Selbstbehandlung der Delfine findet außerdem – anders, als man es sich aus dem Tierreich vielleicht erwarten würde – relativ geordnet ab. So konnten die Forscherinnen und Forscher beobachten, dass die Tiere bei zwei der drei Korallenarten, an denen sie sich besonders gerne reiben, eine Art Warteschlange bilden. Jedes Tier wartet dabei, bis es an der Reihe ist. Das Team fand auch Hinweise darauf, dass jüngere Delfine das Verhalten von älteren Artgenossen lernen.

Riffe auch für Delfine wichtig

Dass Korallenriffe grundsätzlich besser geschützt werden müssen, sei laut den Studienautorinnen schon lange klar. Doch nicht nur für die Korallen selbst sind die Lebensräume wichtig, auch andere Meeresbewohner wie etwa Delfine brauchen sie. „Viele Menschen begreifen nicht, dass die Riffe sozusagen die Schlafzimmer und gleichzeitig ein Spielplatz für die Delfine sind“, erklärt Ziltener. Laut der Expertin könne man das Reiben an Korallen fast wie eine Art Dusche sehen, bevor die Tiere in den Tag starten oder einschlafen.

Ein weiterer Verfall der Korallenriffe habe also auch für Delfine weitreichende Folgen. Besonders kritisch sieht Ziltener außerdem Tourismus, bei dem das Schwimmen mit Delfinen im Fokus steht. Dort, wo mehr Delfine zu finden sind, gebe es dadurch gleichzeitig auch mehr Touristen, die den Alltag der Tiere stören. Zum Schutz der Delfine hat Ziltener die Organisation Dolphin Watch Alliance gegründet, die auch Tourguides und Touristen vor den eventuellen Auswirkungen ihres Verhaltens warnt.

In weiteren Untersuchungen möchten Ziltener und Morlock künftig noch mehr über das ungewöhnliche Verhalten der Tiere in Erfahrung bringen und unter anderem untersuchen, ob bestimmte Korallen von den Delfinen nur für bestimmte Körperteile benutzt werden.